Joncels – St. Martin (9 km; 250 hm↓)

In der Nacht ist merklich kühler geworden und frühmorgens pfiff ein unangenehmer, kalter Wind durchs offene Fenster. Wir liessen uns jedoch nicht aus der Ruhe bringen, frühstückten bei philosophischen Gesprächen im Wissen um die kurze Etappe, die vor uns stand. Gegen 10 Uhr verliessen wir Joncels und schlenderten gemütlich talabwärts. Vor lauter „wir habens im Griff“ und gefühlter Souveränität verliefen wir uns prompt und mussten mit Hilfe des GPS einen steilen Hang durchs Dickicht und entlang von Wildpfaden wieder hochkraxlen. Ausser Atem zogen wir auf dem wiedergefunden Weg die Jacken aus und folgten nun aufmerksamer dem restlichen Pfad Richtung Lunas. In diesem Dorf angekommen, betraten wir die Dorfspelunke, bestellten 2 x Café au lait und wurden von den Stammgästen, welche sich bereits mit Roséwein beschäftigten, intensivstens gemustert. Als scheinbar Ausserirdische abgestempelt, tranken und bezahlten wir den Kaffee, verliessen die Bar und begegneten vor dem angeschriebenen Haus dem jungen Peregrino, namens Álvaro aus Huelva (Andalusien). Er ist alleine unterwegs, studiert(e) Ethnologie in Spanien (…) und schläft meistens mit dem Zelt draussen irgendwo in der Wildnis. Er hat seine Reise vor 2 Monaten angetreten! Unglaublich. Meines Erachtens sah er auch etwas Durchfroren aus, freute sich aber, ein paar Worte auf spanisch zu wechseln, bis wir festgestellten, dass er eigentlich ganz gut deutsch spricht… Ich bin mir sicher, dass wir ihm irgendwo wieder begegnen werden.

In St. Martin angekommen, suchten wir unser vorher reserviertes Gîte auf und machten uns auf den Weg um das Dorf, wieder einmal mit einer überdimensionalen Kirche zuoberst, zu besichtigen. Gleich am Dorfeingang begegneten wir einem Mann um die 50, welcher mit seinem mehrgeschossigen, mittelalterlichen Anwesen beschäftigt war. Ich sagte zu ihm: „C‘est très jolie, votre maison.“ Er antwortete: „Excuse me, I do not understand French.“

Im weiteren Gespräch in ihrem Haus bei Kaffee und Tee erfuhren wir, dass das frühpensionierte Banker- Ehepaar aus Neuseeland stammt und seit zwei Jahren das Haus, welches 1620 ursprünglich gebaut wurde, mit viel Liebe und Geld am Renovieren sind. Während den europäischen Sommermonaten sind sie in Frankreich, die restliche Zeit in Neuseeland. Auch so lässt es sich leben, auch wenn es mir nicht entsprechen würde.

Unser heutiges Gîte, inklusive Küche und 2 Zimmern für uns, befindet sich neben dem Haus eines freundlichen, französischen Rentnerehepaares. Wir haben Fisch, Poulet, Reis und Gemüse eingekauft und das erste mal für uns gekocht.

Die nächsten 2 Etappen werden recht herausfordernd sein und uns über diverse Pässe auf eine Hochebene führen. Die Wettervorhersage ist jedoch gut und wir sind zuversichtlich, dass das klappt. Heute haben wir insgesamt bereits über 100 km Fussmarsch hinter uns.

Zu Besuch bei den Neuseeländern:

Unsere Küche:

Höhenprofil der nächsten Etappe:

Bild kann leider nicht gedreht werden..)

4 Kommentare zu „Joncels – St. Martin (9 km; 250 hm↓)“

  1. Hoi Marcel
    Ich wiederhole das bereits ausgesprochene Kompliment sehr gerne
    Es ist eine Freude, Deine Berichte zu lesen
    Ich freue mich jedes mal , wenn Du von Schönem erzählst
    Leide mit, wenn ihr durch Pflotsch u Kälte marschiert
    Bin ausser Atem, wenn die steilen Passagen hinter Euch liegen
    … und abends so richtig schön müde
    Von Herzen ein zuversichtliches Weiterkommen!!!
    B

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    1. Liebe Brigitte

      Es freut mich sehr, wenn du mitliest! 👍✌️

      Es ist immer wieder ein Abenteuer mit vielen Facetten.

      Johanna sagte dazu treffend:

      Das Leben beginnt jenseits der Komfortzone.

      Umso angenehmer, wenn sie freiwillig gewählt ist…

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  2. Hola Marcel, hey so schön, wieder jeden Tag von euren tollen Erlebnissen zu lesen. Du schreibst immer so lebendig und frisch. Danke vielmals, dass ich so an eurem Camino irgendwie auch ein bisschen teilhaben kann.
    Wünsche euch schönes Wetter und weiterhin buen camino
    Lg uli

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    1. Lieber Uli

      Vielen Dank für Dein Kompliment, welches mich sehr gefreut hat. 🤩👍

      Ich hoffe, dass es Dir gut geht und irgendwo, irgendwann müssen wir uns mal treffen und um über unsere Fernwanderer- Erfahrungen auszutauschen. lieber Gruss Marcel

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